03.03.23: Was war da los, Herr Heekeren?

In einem Interview mit der taz vom 1. März 2023 äußerte sich der nicht mehr ganz neue Präsident der Universität Hamburg (UHH) Prof. Hauke Heekeren zur gegenwärtigen Situation der Uni. Mit seinen wenigen Worten zur potentiellen Einstellung des Masterstudiengangs Internationale Kriminologie sorgte er bei uns für große Irritation. Deshalb halten wir es für notwendig mit dieser Gegendarstellung einige Aussagen zu korrigieren und mit etwaigen Missverständnissen aufzuräumen.

 

Auflösung der Internationalen Kriminologie längst entschieden?

Zur Frage warum der Studiengang abgeschafft werden solle, obwohl der Präsident mit einem ausgeglichenen Haushalt rechne, antwortet dieser im Interview: “Das hat der zuständige Fakultätsrat lange vor meiner Zeit beschlossen.” Diese Aussage ist falsch.

Weder vor, noch während Heekerens Amtszeit hat der Fakultätsrat der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (WiSo) eine solche Entscheidung getroffen. Ganz im Gegenteil liegt sogar eine Ablehnung einer Einstellung unseres Studiengangs durch den Fakultätsrat vor. Hierzu hatten wir am 03. Februar 2023 eine eigene Stellungnahme verfasst.

Einen Studiengang an der Fakultät WiSo der UHH aufzulösen setzt einen Beschluss aus dem jeweils zuständigen Fachbereichsrat, sowie einen gleichlautenden Beschluss aus dem Fakultätsrat voraus. Im Falle des Masterstudiengangs Internationale Kriminologie wurde die Auflösung erstmalig am 8. Januar 2022, also kurz vor dem Amtsantritt von Prof. Heekeren (Februar 2022) im Fachbereichsrat Sozialwissenschaften beantragt, zu diesem Zeitpunkt aber vom Gremium abgelehnt. Erst im Januar dieses Jahres, also fast ein Jahr nach dem Amtsantritt von Präsident Heekeren, sah sich dann eine Mehrheit im Fachbereichsrat (nicht dem Fakultätsrat!), aufgrund fehlender Perspektiven für Lehrstellen gezwungen für die Auflösung des Studienganges zu stimmen. Der zuständige Fakultätsrat hat dann aber am 1. Februar 2023 als Entscheidungs-Gremium ausdrücklich gegen eine Auflösung des Masterstudiengangs gestimmt. Der Auftrag an Fakultät, Universität und Präsidium ist für uns eindeutig: Auf den weiteren Erhalt des Masterstudiengangs ist hinzuwirken!

Die gegenläufige Darstellung des Präsidenten ist auch deshalb irritierend für uns, da sie suggeriert, die Gestaltung der Zukunft des Studienganges liege außerhalb der Entscheidungsgewalt des Unipräsidenten. Auch hier müssen wir deutlich widersprechen. Denn neben den Fakultäten ist im Besonderen das Präsidium mit der Kompetenz ausgestattet, neue Professuren einzurichten. Dass dies nicht geschieht führen wir auf beobachtbare, finanzielle Engpässe auf Fakultätsebene zurück, die sich durch die Jahre des Sparens aufgestaut haben und welche eine Neuschaffung von Stellen auf Fakultätsebene derzeit enorm erschweren. Auch hier irritiert der zweck-optimistische Blick Heekerens auf die finanzielle Lage der Uni. Denn diese Umstände müssen dem Präsidium selbstverständlich bekannt sein. Allerdings wäre es auch Aufgabe des Präsidiums, diesem Trend entgegen zu wirken. Schließlich ist der Präsident eigens dafür mit reichlich Handlungsmacht ausgestattet. Heekeren hat dafür an der Universität Hamburg gleich mehrere Werkzeuge, wie bspw. die §17(1)-Professuren oder Tenure-Track-Professuren. Diese könnten dafür genutzt werden, die Lehre des Masterstudiengangs Internationale Kriminologie mit dem notwendigen Lehrdeputat auszustatten. Es ist auch Heekerens Aufgabe gegenüber dem Senat und der Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung, die dafür benötigten Mittel einzufordern.

 

Inhalte der Internationalen Kriminologie werden von anderen Studiengängen abgedeckt?

Gleich im nächsten Satz des Interviews behauptet der Neurowissenschaftler Heekeren weiter: “Die Inhalte, um die es hier [also in der Internationalen Kriminologie] geht, werden sogar von anderen Studiengängen abgedeckt”. Diese Aussage legt nahe, dass mit der Auflösung des Studienganges keine Inhalte verloren gingen und dass der Studiengang obsolet sei. Beides ist falsch.

Auch wenn es Schnittmengen des interdisziplinären Forschungsprofils der Kriminologischen Sozialforschung mit anderen Studiengängen, wie etwa der Soziologie oder den Rechtswissenschaften gibt, so kann keiner dieser Studiengänge die Inhalte und schon gar nicht die forschungs- und anwendungsbezogene Fokussierung des Fachgebiets ersetzen. Wir verdeutlichen dies einmal für einen Neurowissenschaftler: Nur weil sich Teile der Biologie oder Psychologie ebenfalls mit neuronalen Prozessen und Hirnfunktionen beschäftigen, bedeutet dies weder, dass die Inhalte der Neurowissenschaften durch diese Fachgebiete ersetzt werden könnten, noch dass eines der Fachgebiete wissenschaftlich überholt wäre.

Außerdem möchten wir darauf hinweisen, dass es im deutschsprachigen Raum zahlreiche Standorte gibt, an denen Neurowissenschaften, Psychologie oder Biologie studiert werden kann und das ist auch gut so. Für die Kriminologische Sozialforschung ist das, wie wir auch dem Präsidenten gegenüber immer wieder betonen, aber nicht der Fall. Zu unserem großen Bedauern ist der Studiengang Internationale Kriminologie in Deutschland, genau wie die Möglichkeit im Bereich der Kriminologischen Sozialforschung zu promovieren, an der UHH einzigartig. Im europäischen Ausland ist dies widerum gänzlich anders gelagert. Hier beansprucht die Kriminologie ganz selbstverständlich eine etablierte Fachdisziplin für sich.

 

Auflösung der Internationalen Kriminologie als natürlicher Lauf der Dinge?

Im nächsten Abschnitt des Interviews versucht Präsident Heekeren dann auch gleich zu beschwichtigen: das Ersetzen von Studiengängen sei “ein normaler Prozess an einer großen Uni”. Es ist zwar richtig, dass in der Geschichte der universitären Lehre immer wieder fachliche Veränderungen stattfinden. Die Formulierung von Heekeren impliziert jedoch, dass diesen Entwicklungen eine fast schon natürliche Unausweichlichkeit zugrunde läge und dass im Falle der Internationalen Kriminologie für einen Ersatz gesorgt sei. Beides ist nicht der Fall.

Universitäten, Studiengänge und daraus erwachsender gesellschaftlicher Mehrwert ist keiner “Natürlichkeit” unterworfen. Vielmehr bedarf es einer aktiven Steuerung dieser Prozesse. Aus exakt dieser Notwendigkeit ergibt sich überhaupt erst die Rechtfertigung für ein Präsidium. Die Transformation und Auflösung von Forschungs- und Studieninhalten geht letztlich auf Entscheidungen über die Verteilung von Ressourcen zurück. Für die Universität Hamburg lässt sich bei diesen Entscheidungen ein deutliches Muster bebachten: Kleine und kritische Studiengänge kämpfen häufiger um ihre Existenz als größere und etabliertere. Insbesondere, wenn sie sich nicht gut im Rahmen von Exzellenz-Initiativen kapitalisieren lassen.

Offen bleibt zudem, welchen “Ersatz” Heekeren für die Kriminologie in Hamburg im Kopf zu haben scheint. Wie ausgeführt gibt es in der gesammten deutschsprachigen Wissenschaftssphäre keinen vergleichbaren Studiengang, der die Inhalte kompensieren könnte. Es liegen nicht einmal Konzepte zum “Ersetzen” des Studiengangs an der Universität Hamburg vor. Bisher wurde immer nur von einer scheinbar alternativlosen Auflösung ausgegangen. Die Formulierung “Ersetzen von Studiengängen” ist also in Bezug auf die Auflösungsdebatte des Masterstudienganges Internationale Kriminologie mindestens irreführend.

 

Quo vadis, Präsident?

Was sollen wir nun aus diesen weitgehend falsifizierten Aussagen schließen, Herr Prof. Heekeren?

Wir hoffen, dass Sie sich so intensiv mit dem Fall der Internationalen Kriminologie befasst haben, wie es einer so weitreichenden Auflösungsthematik bedarf oder dies zumindest zügig nachholen. Unsere Gegendarstellung sehen wir dabei als eine erste Gesprächsgrundlage, die von Fehlinformationen und Missverständnissen bereinigt ist und wünschen uns eine faktenbasierte Auseinandersetzung auf Augenhöhe.

Wir möchten noch einmal betonen: die vermeintlich alternativlose Auflösung der Internationalen Kriminologie ist kein natürliches Ereignis. Es ist ein institutioneller Prozess, dem mit der Schaffung einer klaren Alternative begegnet werden muss. Die relevanten Entscheidungen werden im Hier und Jetzt von konkreten Personen getroffen und nicht von einer abstrakten unbegründbaren Vergangenheit oder unabwendbaren Sachzwängen. Es liegt auch an Präsident Heekeren, die Beschlüsse von Gremien der universitären Selbstverwaltung ernst zu nehmen und gemeinsam mit Fakutltät, Fachbereich und Studierendenschaft ein Konzept für den Erhalt der Kriminologischen Sozialforschung, dem Masterstudiengang Internationale Kriminologie und den sogenannten “kleinen Fächern” auszuarbeiten.

Dabei hoffen wir nach wie vor auf Ihre Unterstützung, Herr Präsident.

03.02.23: Fakultätsrat lehnt Auflösung Internationale Kriminologie ab!

Liebe Kommoliton*innen,
Liebe Interessierte,

viele werden es schon mitbekommen haben, trotzdem hier nochmal die frohe Kunde:

Die vielen Bemühungen um den Erhalt des Masterstudienganges Internationale Kriminologie haben zu einem ersten konkreten Erfolg geführt. Nach langer Diskussion konnte am Mittwoch in der Sitzung des Fakultätsrats WiSo (FR) eine Mehrheit (4 Ja, 8 Nein, 4 Enthaltungen) dafür gewonnen werden sich gegen die Auflösung des Masterstudienganges zu entscheiden!

Das sind großartige Nachrichten, denn nicht nur haben wir so wichtige Zeit gewonnen um uns um weitere Gelder bzw. Professuren zu bemühen. Sondern wir haben auch gemerkt, dass wir überall in der Universität Unterstützer*innen haben, die das Fachgebiet genaus wichtig finden wie wir und die bereit sind sich dafür einzusetzen.

Diese Entscheidung für den Masterstudiengang markiert eine Kehrtwende in der Auseinandersetzung, die uns neuen Rückwind gibt. Damit wir dieses Momentum produktiv nutzen können brauchen wir aber weiterhin – und vielleicht sogar noch mehr als bisher schon – eure Unterstützung: Professuren fallen nicht vom Himmel, sondern müssen erkämpft werden! Aber gemeinsam können wir es schaffen, da sind wir sicher!

Ihr seid nicht nur Willkommen, sondern herzlich dazu eingeladen euch zu beteiligen und uns zu kontaktieren!

Euer FSR Kriminologie

30.01.23: Kritische Lehre am Fachbereich ausbauen, Studiengang Kriminologie erhalten!

Liebe Kommiliton*innen,
Liebe Interessierte,

die Diskussion um den Erhalt und Ausbau der Kriminologischen Sozialforschung geht in die nächste Runde: Nachdem dem Unterfinanzierungsdruck im Fachbereichsrat nachgegeben worden ist (die Einstellung des MA Internationale Kriminologie ist mit 5 zu 2 Stimmen angenommen worden), heißt es um so mehr im nächsten Gremium, dem Fakultätsrat, für einen Erhalt der Kriminologie zu kämpfen. Denn die Hamburger Kriminologie kann essenziell zu einem kritischen und sozialbewussten Umgang mit Gewalt und deren Ursprüngen beitragen. Eine solche Forschung wird in der aktuellen Krisenlage mehr und nicht weniger gebraucht.

Die rege Beteiligung der Studierenden am letzten Fachbereichsrat hat vor allem eins gezeigt: Die hohe Aufmerksamkeit und dass unsere Argumente wirken. Gegen den Klausurendruck können wir zusammen für eine bessere Gesellschaft wirken und damit nicht nur die Kriminologie erhalten, sondern auch die gesamte Universität ausfinanzieren. In unseren Vorbereitungen und in vielen Gesprächen mit unterschiedlichsten Personen wurde deutlich, wie sehr die Unterfinanzierung der Universität in Forschung und Lehre einschränkt und zur Streichung ganzer Wissenschaftsbereiche führt, die nicht in Exzellenz-Strategien passen. So wird der vermeintliche Sachzwang zum Streit um die Wissenschaft, den wir mit der Kriminologie in der Uni führen. Das ist Ausgangspunkt dafür, dass es um mehr als einen Studiengang geht!

Wir treffen uns Mittwoch, den 01.02.2023 zum Vorbereiten und Konstituieren für den Fakultätsrat. Dort werden wir gemeinsam überlegen, wie wir im Fakultätsrat für einen Erhalt wirken können. Nach dieser Sitzung wird es weiter gehen – Das besprechen wir ebenfalls am Mittwoch und teilen das über unsere Website und Infochats. Komm’ gerne dazu, um zusammen eine Finanzierung der Universität auszugestalten!

Bis dahin

Euer Fachschaftsrat Sozialwissenschaften

18.01.23: Beschluss des Fachbereichrats Sozialwissenschaften zur Auflösung Internationale Kriminologie

Liebe Kommoliton*innen,
Liebe Interessierte,

mit Bedauern und Enttäuschung müssen wir euch leider mitteilen, dass die professurale Mehrheit des Fachbereichrats Sozialwissenschaften heute gegen unseren Antrag zum Erhalt der Kriminologie und für die Auflösung des Studiengangs Internationale Kriminologie gestimmt hat.

Es waren echt viele von Euch heute dabei und haben sich mit Wortbeiträgen eingemischt, darum sind wir euch super dankbar und hoffen, dass ihr auch weiter dabei seid!

Denn auch wenn sich die Mehrheit der Profs heute nicht vorstellen konnte weiter für den Erhalt des Masterstudienganges zu kämpfen, (obwohl sie die meißten unserer Argumente ja sogar inhaltlich befürworten) heißt das ja nicht, dass wir aufgeben..

Als nächstes muss der Antrag durch den Fakultätsrat (in zwei Wochen) und auch dort können wir erneut unsere Argumente vortragen, oder schon vorher aktiv werden!

Um unseren weiteren Protest zu organisieren und uns weiter abzustimmen treffen wir uns nochmal im Vorfeld. Falls ihr dabei seien wollt findet ihr Aufrufe in den entsprechenden Messenger-Gruppen, oder ihr antwortet einfach auf diese E-Mail.

Danke an alle die in den letzten Tagen, Wochen und vorallem heute dabei waren und soviel Kraft in Redebeiträge, Gespräche und und und gesteckt habe!

Liebe Grüße und bis bald

Euer FSR Kriminologie

12.01.23: Kriminologie erhalten, soziale Lage verbessen!

Liebe Kommiliton*innen,
Liebe Interessierte,

im Moment eröffnet sich an vielen Stellen im Fachbereich die Möglichkeit aber auch Notwendigkeit für kritische Wissenschaft mit guten Studienbedingungen zu wirken: fehlende Räume, eine drückende soziale Lage und der drohende Wegfall des Kriminologie-Studiengangs erfordern unser handeln. Nächsten Mittwoch, am 18.1.2023 stehen besonders für den Studiengang Internationale Kriminologie richtungsweisende Entscheidungen an, bei denen es an uns Studierenden ist, üerzeugend für eine bessere Sozialwissenschaft einzutreten.

Die Hamburger Kriminologie kann essenziell zu einem kritischen und sozialbewussten Umgang mit Gewalt und deren Ursprüngen beitragen. Eine solche Forschung wird in der aktuellen Krisenlage mehr und nicht weniger gebraucht. Dennoch wird im Fachbereichsrat Sozialwissenschaften nun zum zweiten Mal ein Antrag zur Einstellung des Studiengangs gestellt. In Folge der unterfinanzierten Universität gibt es aktuell zu wenige Lehr- und Forschungsstellen. Anstatt weiter für mögliche Alternativen und Möglichkeiten für den Erhalt des Studiengangs zu wirken, soll sich nun der Sparsamkeit gefügt werden.

Um stattdessen zu einer Fortfürung und Entwicklung der Kriminologischen Sozialforschung zu kommen möchten wir euch dazu aufrufen, sich am kommenden Mittwoch, den 18.1.2023 zusammen zu besprechen und dann gemeinsam in den Fachbereichsrat zu gehen. Wir wollen unter uns und anschließend mit den Lehrenden die Zukunft der kriminologischen Sozialforschung an der Uni Hamburg diskutieren. Dazu sind alle herzlich eingeladen.

Für ein Fortbestehen der Kriminologischen Sozialforschung!

Bis dahin

Euer Fachschaftsrat Sozialwissenschaften